Dreizehn Kilometer anspruchsvolles Gelände kann auch ganz schön müde machen.
Gestern Abend sahen wir noch den Zettel worauf mit grossen Buchstaben geschrieben stand, dass man die Herberge bis acht Uhr zu verlassen hat. Sicher nicht im Winter, wenn es erst nach acht Tag wird, dachten wir. Zudem waren wir die einzigen verrückten in dieser einsamen Herberge.
Um zehn nach acht bin ich aufgewacht als draussen der Wind durch die Bäume sauste und der Regen an die Fensterscheiben prasselte. Ich wollte mir die Ohren zuhalten, nein, nicht schon wieder Regen. Liebend gerne wäre ich tiefer in den warmen Schlafsack gerutscht, stattdessen musste ich raus in die kalte Wirklichkeit. Eilig schlüpften wir in die wärmende Kleidung, acht Uhr hin oder her, jetzt brauchten wir zuerst einen heissen Kaffee und Frühstück.
Bei dem Wetter schickt man nicht mal einen Hund vor die Tür. Draussen goss es in Strömen als hätte jemand eine Dusche aufgedreht und der Wind trieb grosse Tropfen durch die undichten Fenster. Um halb neun hörten wir Dolores die Zwischentür öffnen und gleich wieder schliessen. Sie wollte sich nur vergewissern, dass wir noch im schützenden Haus sind. Die ganze Verzögerungstaktik nützte nicht viel, wir mussten trotzdem weiter.
Schliesslich zogen wir uns gut an, inklusive Fledermaus und machten uns auf den Weg. Der Regen hatte deutlich nachgelassen und der Wind die Stärke zurückgeschraubt.
Wir verliessen den kleinen Weiler San Esteban um halb zehn. Die Etappe führte durch so schönes Gelände, dass wir die Wanderung geniessen konnten, sowieso als wir eine Stunde später die Fledermaus einpacken konnten. Wir durchquerten den idyllischen Ort La Vega mit seinen schönen, gepflegten Häusern und den alten Maisspeichern. Bei so vielen Fotomotiven kommt man kaum vorwärts. Wir gelangten zum Strand, mussten über eine kleine Brücke auf eine Piste und freuten uns auf einen 'Strandspaziergang'. Überraschend bog der Weg vom Strand weg und es begann ein steiler Aufstieg. Der Weg wurde schmaler und plötzlich stiessen wir auf einen Wegabschnitt mit uralten groben Pflastersteinen. Ein geschichtsträchtiger Abschnitt mit knochenenbrecher Potential. Auf der Höhe hatten wir als Belohnung wieder Aussicht aufs Meer. Sogleich ging es wieder auf verschlungenen Pfaden durch die Landschaft. Mit diesen Wolken am Himmel und den Nebelstreifen gab es schöne Stimmungsbilder. Um halb zwölf erreichten wir den kleinen Ort Berbes. In unserem Buch heisst es: 30 Meter nach links gibt es eine kleine Bar, die aber unregelmässig geöffnet ist. Heute war nicht unregelmässig! Wir bekamen ein super leckeres Bocadillo mit Lomo und Käse (Schnitzelbrot). Nach dieser Pause ging es auf einem sehr steilen Fusspfad bergab. Was es schwierig machte war die unregelmässige Pflästerung und das nasse Laub.
Nach einem Stück Strasse ging es wieder auf Waldwegen bergauf und bergab. Auf dem Boden lagen Blätter, Rindenstücke und Kapseln der Eukalyptusbäume. Mit jedem Schritt lösten wir Duftstoffe aus. Inhalieren auf Pilgerart.
Mitten im Nachmittag erreichten wir La Isla. Alles wie ausgestorben, keine Touristen mehr, Hotels, Cafes etc. geschlossen. Wir bekamen den Schlüssel für die Herberge und Dona Angelita führte uns sogar hin. Der alte Teil vom Dorf ist sehr verwinkelt. Sie machte uns klar: selber kochen .... es ist alles geschlossen. Wir kochten uns eine wärmende Suppe, Teigwaren, Erbsen, Tomatensauce und Sardinen.
Wir fanden in der Herberge sogar eine Waschmaschine und einen funktionierenden Ofen!
Grüßt mir Angelita, sie hat mich damals nach meinem Armbruch zwei Tage lang versorgt. Es war eine unglaubliche Hilfsbereitschaft, die sie mir entgegenbrachte. Ich hatte mich von Berbes noch 6 oder 7 Kilometer nach la Isla geschleppt. Und sie hat mir ein Taxi gerufen, damit ich ins Centro de Salut nach Colunga fahren konnte. Sie hat mir zwei Tage lang das Essen gebracht. "Ist mir doch egal ob ich für 7 oder 8 Personen koche!" Zum Abschied wollte ich ihr noch Geld für die Herberge in die Hand drücken und sie sagte nur: "von allen nehme ich etwas, aber nicht von dir. Denn jene, die krank in dieser Herberge ankommen, werden alle gleich behandelt" Damit meinte sie ihre Gastfreunschaft.
AntwortenLöschenAls ich am 15.09.2011 mit dem Taxi nach Ribadesella aufbrach, hätte ich ich sie vor lauter Dankbarkeit fast erdrückt.
So ein wundervoller Mensch begegnet uns Pilgern nicht an jedem Tag. Ich habe ihr sehr viel zu verdanken. Auch den währenden Glauben, dass es immer Menschen geben wird, die für einen einstehen!
Alles Gute euch beiden auf dem weiteren Weg!
und alles Liebe
Norbert
@Norbert: Angelita hat sich über deine Grüsse gefreut. Zur Erinnerungshilfe habe ich ein Foto von dir gezeigt. Grüsse zurück :-)
AntwortenLöschenHallo Ihr beide unermüdlichen Wanderer! Das ist ja schlimm mit dem Wetter, da können wir Euch nur nur immer wieder anfeuern! Ihr habt ja noch ein schönes Stück vor Euch. Herzlichen Dank noch für die Karten, auch Mowgli lässt schön danken und Euch grüssen. Wir freuen uns auf Euch, wenn Ihr dann triumphierend bei uns einmarschiert. Dann wird ein dampfender Topf mit leckerem Inhalt auf dem Tisch stehen! Machts weiterhin gut! Liebe Grüsse RiRiMo
AntwortenLöschen