Sonntag, 3. November 2013

100. Tag, Sonntag, 3.11.13

Bilbao - Portugalete, 15 km
Die Geräuschkulisse auf der Strasse liess morgens um drei langsam nach. Da es ein konstantes Palavern war und nicht unregelmässig laut und leise, konnten wir trotzdem schlafen. Um halb zehn verliessen wir leise die Wohnung. Unser Gastgeber schlief noch, da er bis morgens um vier gearbeitet hat.
Auf der Strasse blickten wir uns zuerst etwas ratlos um. Wo bekommt man Sonntags um diese Zeit schon einen Kaffee? Alle Bars waren noch geschlossen. Die Bäckerei vis a vis der Kathedrale war schon offen, so konnten wir Gipfeli für sofort und Brot für unterwegs erstehen. Wir kamen auf die Idee, dass es am Bahnhof bestimmt schon Kaffee gibt. Das ist nicht weit und danach nur etwa 200 Meter zurück auf den Jakobsweg. Unterwegs sprach uns ein junger Spanier an, ob wir etwas suchen. Ja, einen Kaffee. Jetzt, in diesem Moment? Ja, jetzt. Oh, das sei schwierig, die Bars machen nicht so früh auf. Die Leute gehen zuerst in die Kirche und erst danach Kaffee trinken. Ja, Bahnhof sei eine gute Idee. Er habe vor zwei Jahren eine grosse Wanderung gemacht, deshalb seien wir ihm auch aufgefallen. Leider spreche er nicht gut englisch und 'buen camino'.
Beim Bahnhof bekamen wir tatsächlich Cafė con leche.

Der Jakobsweg aus der Stadt (wobei 'aus der Stadt' nicht ausserhalb Wohngebiet bedeutet) führte am Fluss Nervión entlang. Vorbei an berühmten Skulpturen und Bauten. Immer wieder mussten wir fotografieren. Die Calatrava-Brücke, das Guggenheim-Museum mit der Spinnen-Skulptur und dem Blumenhund Puppi. Beim letztgenannten wurden wir mit unseren Rucksäcken aber selbst zu Foto-Objekt. Gage haben wir keine bekommen, aber ein kurzes, nettes Gespräch auf französisch.
Bei einem Pavillon neben dem Guggenheim-Museum erstanden wir uns einen Orangensaft und ein Muffin. Die Bedienung zeigte mir freudig ihr Armband, sie sei auch den Jakobsweg gegangen.

Nach einigen Kilometern wurde die Umgebung immer trister. Verlassene, verlotterte Industriegebiete, Gebäude dem Zerfall preis gegeben. Auch die weniger schönen Gebiete gehören zum Weg. Die Menschheit hinterlässt Spuren, dessen soll man sich bewusst sein.
Etwas später kreuzten wir eine Strasse die eine Fussgängerzone mit allen Annehmlichkeiten aufwies. Es war sowieso Zeit zum Austreten und ins Gebüsch gehen war heute nicht möglich. Also Kaffeehalt. Beim wieder Aufbrechen reichte uns die Serviererin ein Häppchen mit Käse: die sei für auf den Weg und 'buen camino'.
Es wurde uns heute so oft 'buen camino' gewünscht und sogar über die Strasse zugerufen. Ja, wir hatten heute einen guten, behüteten Weg. Die Passanten schauten, dass wir den richtigen Weg gingen. Wir müssen uns erst noch an die neue Markierung gewöhnen.
Um nach Portugalete zu gelangen überquerten wir den Fluss auf der 50 Meter hohen Biskaya Brücke (UNESCO Weltkulturerbe). Das Tourist Office hatte bereits wieder geschlossen. Stadtplan???
Mit Hilfe von unserem Pilgerbüchlein tasteten wir uns Strasse um Strasse voran. Im Buch wurde uns nebst der Pilgerherberge (die nur im Sommer offen ist) noch eine kleine Pension empfohlen. Dies suchten wir. Die Strasse führte so steil bergan, dass die Spanier da kurzerhand Freiluft-Fussgänger-Rollbänder gebaut haben. Sehr Pilgerfreundlich! Ein älterer Spanier wies uns die Strasse zur Pension. Wir suchten ein angeschriebenes Gebäude. Da winkte weiter oben auf der Strasse ein Mann. Wir beachteten ihn nicht. Er winkte heftiger, Heiner drehte sich schliesslich um, weil er sehen wollte wem da gewunken wird. Der Passant hinter uns, deutete Heiner, dass dieses winken uns gelte. Häää?? Tatsächlich, das galt uns. Der Mann machte das Zeichen für 'schlafen' und winkte uns, ihm zu folgen. Er führte uns in ein Haus, holte an der kleinen Reception die Schlüssel, zeigte uns zwei unterschiedliche Zimmer und die dazugehörenden Preise. Wir entschieden uns für ein Zimmer und bei der Anmeldung stellten wir fest: es ist die Pension die wir gesucht haben. Es ist uns ein Rätsel weshalb dieser Mann ausgerechnet in dem Moment draussen war und uns von der Strasse holen konnte. Wir hätten die Pension nie gefunden .... sie ist nicht angeschrieben!

1 Kommentar:

  1. Silvia DuttweilerNovember 06, 2013

    Es ist doch immer wieder schön, dass Ihr so hilfreiche und nette Leute untertwegs antrefft. In dieser Gegend leben die Leute offensichtlich mit den Pilgern. Weiterhin so erfreuliche Begegnungen. Alles Gute.

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